Umfassende Bereiche:


Schlüsselerfindungen der Evolution


1. Zur Methode

Als Orientierungshilfe für die eigene persönliche oder gesellschaftliche Tätigkeit dient alles angeeignete Wissen. Aber bereits das Aneignen des Wissens erfolgt persönlich und auch kollektiv nicht vollständig, sondern eher selektiv. Oft erfolgt die Aufnahme neuen Wissens aus Gründen der Bequemlichkeit oder auch der "Denkökonomie" nur soweit, wie alte Vor-Urteile bestätigt werden.

Uns interessieren Erfahrungen aus allen Gebieten des Seins und Denkens, um unsere Orientierung auf dem Gebiet der Gesellschaft zu verbessern. Wir müssen dabei aufpassen, nicht kurzschlüssigen Analogien zu verfallen, die nur einseitige Positionen stützen. Bei der Übernahme biologischen Wissens ist das besonders gefährlich. Einerseits kann die Rolle der biotischen Konkurrenz betont werden, dann entsteht der berüchtigte Sozial-Darwinismus als Begründung des gesellschaftlichen Zustands des Kampfs aller gegen aller und jedes gegen jeden. Die gegenteilige Überbetonung der Harmonie alles Lebendigen (bspw. in manchen Interpretationen des Gaia-Konzepts) dagegen verabsolutiert eine Widerspruchslosigkeit, wie sie auch in der Biologie nicht real gegeben ist. Konkurrenz und Kooperation gibt es in der Biologie. Ein anderes Beispiel ist das Verhältnis von Differenzierung und Synthese. Beide Effekte treten gleichzeitig auf (aus der Philosophie kennen wir das Grundproblem der Einheit des Mannigfaltigen...). Üblich ist aber die Verabsolutierung jeweils eines Effektes, wobei in der Gesellschaft dann einseitig auf Differenzierung (Luhmann) gesetzt wird, oder auf die Synthese (New Age-Theoretiker/innen). Letztlich zeigt eine genaue Rückfrage in der betreffenden Ausgangswissenschaft, hier in der Biologie, die Einseitigkeit auf.

Ich selbst habe beim Schreiben meines Buches diese Erfahrung mehrmals gemacht. Vor dem Schreiben hatte ich z.B. neue biologische Erkenntnisse zur Symbiose (L.Margulis) gelesen und mich hatte das als Erkenntnis für die gesellschaftstheoretische Orientierung sehr gefreut. Auf Grundlage des damaligen Wissensstandes hätte ich als "Schlüsselerfindung" sicher die Symbiose allein hingestellt. Bei der ernsthaften Arbeit am Thema konnte ich an den gegenteiligen biologischen Theorien nicht mehr vorbei (mein Buch würde sich sicher besser verkaufen lassen, wenn ich die New-Age-Richtung einfach weiterverfolgt hätte). Aber in der Biologie war es doch nicht so einseitig, sondern die Differenzierung, auch die Konkurrenz spielte nichtdestotrotz auch in den von L.Margulis beschriebenen Prozessen ihre berechtigte Rolle. Das Verhältnis von Synthese und Differenzierung tauchte in der Biologie in meinen Studien zweimal auf. Einmal war eine Entweder-Oder-Entscheidung notwendig (die ich nicht treffen kann, sondern den Fachwissenschaftlern überlassen muß). Im günstigeren Fall jedoch war dies nicht unbedingt eine Entscheidung "Entweder-Oder", sondern die Grundgedanken beider Grundeffekte (Synthese und Differenzierung) gemeinsam ergaben erst ein tieferes Verständnis der Realität und damit auch eine genauere Orientierung für das Gesamtdenken.

Auf diese Weise wurde für mich die alte philosophische Methodik: "These Antithese Synthese" praktisch wirksam. Beide Thesen müssen in ihrer Differenziertheit in der Theorie untersucht werden, bis sie zu einer Erkenntnissynthese führen.

Die "Zusammenschau" vieler Erkenntnisse steht also einerseits vor dem Problem, daß Einseitigkeiten sich selbst verstärken. Deshalb ist erstens eine wirklich gründliche Recherche im Ausgangs-Wissensgebiet notwendig, wobei die Übernahme des für das eigene Vor-Urteil Günstige nicht ausreicht. Zweitens erfordert die Übernahme von Erkenntnissen in ein anderes Gebiet die "Übersetzung" in allgemeinere Denksysteme und anders verankerte Fragestellungen.

Es steht ja überhaupt zur Debatte, wie die Gesetzmäßigkeiten des Seins in ihren bereichsübergreifenden Zusammenhängen erfaßbar sind.

Einzelwissenschaften wie Kosmologie, Biologie und Gesellschaftstheorie erfassen das Wesen der Dinge und Prozesse auf den jeweiligen Ebenen der Strukturniveaus.

Direkte Übertragungen zwischen den Einzelwissenschaften können zu falschen Schlußfolgerungen führen, besonders wenn in der Ausgangswissenschaft bereits ein Aspekt einseitig verabsolutiert wurde. Diese "Kurzschlüsse" sind nur durch allgemeinere und gleichzeitig tieferlotende Untersuchungen über die Ursachen und Prinzipien der Gemeinsamkeiten zu verhindern.

Gemeinsame "Muster" in der Struktur des Seins, des Verhaltens und auch der Evolution werden durch allgemeine Wissenschaften wie Kybernetik, Synergetik oder Chaostheorie u.a. abgebildet (Das Verhältnis der einzelnen Allgemeintheorien ist auch zu untersuchen. Oft wird im Populären eine einzige hervorgehoben und alles andere ihr untergeordnet. Speziell Autopoiese und Selbstorganisation sowie Synergetik stehen im "Wettstreit" ihrer jeweiligen Autoren und Vertreter.)

Die Philosophie selbst wird erst berührt, wenn das menschliche Sein als Teil der wissenschaftlichen Fragestellung mit widergespiegelt und hinterfragt wird (Sie erhellt deshalb die unterschiedlichen Erkenntnisinteressen der verschiedenen Autoren der Allgemeintheorien und kann Verabsolutierungen aufdecken).

Der Begriff der Praxis ist dafür bestens geeignet, weil er mehr erfaßt als die reine "Widerspiegelung", das nur-geistige Erkennen. Gleichzeitig verweist er auf die jeweils historische Gebundenheit allen Erkennens und die Grundlegung des menschlichen Seins in seiner jeweils historisch bestimmten Lebenspraxis.

2. Evolutionsprinzipien

Wenn ich jetzt die Zusammenfassung meiner Erfahrungen zu Evolutionsprinzipien versuche, so wird dies hier vorwiegend auf der allgemeinen, nicht der philosophischen Ebene erfolgen. Eigentlich wird eine tiefere Einheitlichkeit und Einheit erst beim Bezug auf originär philosophische Begriffsbildungen sichtbar. Beim Schreiben meines Buches habe ich festgestellt, daß ich immer öfter nicht stehengeblieben bin bei der allgemeintheoretischen Benennung, manchmal sogar nur "Etikettierung" von Prozessen - sondern in der Philosophie (besonders Hegels) tiefere Fundierungen gefunden habe.

Die Reihenfolge der Benennung der Prinzipien folgt sachlichen (und damit logischen) Begründungen vom Sein zur Veränderung bis hin zum maßüberschreitenden Sprung in neue Qualitäten.

1. Die Welt ist strukturiert. Es hängt zwar tatsächlich irgendwie "alles mit allem" zusammen, aber zwischen den Dingen und Prozessen existieren wesentliche Zusammenhänge (Gesetze), die spezifische Einheiten (räumliche, aber auch prozeßhafte Systeme) in Unterscheidung von ihrer Umgebung strukturieren. Diese Einheiten unterscheiden sich durch die sie konstituierenden Gesetzmäßigkeiten - durch ihr ihnen eigenes Wesen - von allen anderen. In ihnen existieren i.a. weitere Einheiten und die Ausgangs-Einheiten selbst sind Bestandteile anderer, umfassenderer Einheiten. Diese Relativität läßt sich am besten erfassen durch das System-Element-Verhältnis. Der Systembegriff ist auf diese Weise inhaltlich-qualitativ (nicht wie in der herkömmlichen Kybernetik nur quantitativ) bestimmt.

2. Diese relativ stabilen Strukturen konstituieren sich durch innere Prozesse, wobei die systemhaften Strukturen ihre eigenen Bestandteile selbst erzeugen. Diese allgemeine Tatsache wurde für die Biologie erstmals im Autopoiese-Konzept verallgemeinert (wobei die Autopoiese nur die Existenz der individuellen Einheit untersucht, nicht die Aufeinanderfolge von Generationen. Sie kann deshalb die biotische Evolution nicht erfassen.)

Etwas allgemeiner ist hier das Selbstorganisationskonzept, da hierbei das "kooperative Wirken von Teilsystemen zu komplexen Strukturen des Gesamtsystems" (Ebeling, Feistel: Physik der Selbstorganisation und Evolution, 1986, S.11) nicht nur in der Aufrechterhaltung der Existenz, sondern der Entstehung neuer Strukturen wirksam wird.

Bifurkation

Für die Selbstorganisation sind folgende Voraussetzungen notwendig (dies als Hintergrund für Bedingungen der sozialen Selbstorganisation!):

  • Entfernung vom "toten" Gleichgewicht (Aktivität, Energieumsatz, wobei
    bei der Entstehung neuer Strukturen viel Energie umgesetzt werden muß,
  • erst bei der Stabilisierung setzt sich Energieeffizienz durch)
    - Nichtlinearität (positive Rückkopplung Netzwerkprinzip!)
    - kooeratives Verhalten der Teile von Einheiten bei erhaltener
  • Differenzierung (erst dann Austausch von Verschiedenem möglich).

3. Die Prozesse zur Aufrechterhaltung der Existenz verändern die Bedingungen der Existenz. Sie sind deshalb irreversibel.

Veränderte Bedingungen sind einerseits Grundlage für das "Erschöpfen", das Altern von Zuständen. Andererseits sind sie die Grundlage dafür, daß Neues entstehen kann.

4. In jedem Zustand existieren Dinge und Prozesse, die Zusammenhänge realiseren. Andere Zusammenhänge sind einerseits bereits in diesem Zustand möglich, aber nicht wirklich realisert. Neue Zusammenhänge können auf Grundlage dieser anderen entstehen und sich realiseren, wenn neue Zustände entstehen.

Die Möglichkeit innerhalb der Wirklichkeit ist die Grundlage für Flexibilität und Entwicklung von Neuem.

5. Jede Qualität hat ihr begrenzendes "Maß". Die Grundqualität eines Bereiches ist deshalb nie "uferlos".

Der alte Zustand gerät im Laufe der Bedingungsveränderung an Grenzen seiner qualitativen Entwicklung. Das "Maß" seiner Qualität wird erreicht. Daß dies geschieht, liegt an der "selbstorganisierten Kritizität". Im Rahmen der Realisierung seiner typischen, wesentlichen Zusammenhänge (der Aufrechterhaltung seiner Existenz) kann der Zustand nicht anders (Kontraproduktivität aller Versuche, innerhalb des Rahmens alter Gesetze etwas "zu retten"), als die Bedingungen seiner Existenz irreversibel zu verändern, bis die Bedingungen seine Existenz innerhalb dieser Gesetze nicht mehr ermöglichen. Dann ist das Ende seiner Existenz erreicht - oder es gelingt ihm, neue qualitative Zustände einzunehmen, neue wesentliche Zusammenhänge (Gesetze) auf Grundlage der neuen (von ihm selbst erzeugten) Bedingungen zu realiseren. 99% aller jemals existierenden Tierarten sind ausgestorben. Nur noch 1% existieren, wovon wiederum nur ein Bruchteil sich "höher"-entwickelte. Vernunftbegabte Zivilisationen könnten eine höhere "Erfolgsrate" haben, weil sie bewußte Entscheidungen treffen können sollten...

6. Weiter betrachten wir den möglichen (aber unwahrscheinlichen, siehe oben) selbst-organiserten "Sprung" in neue Qualitäten. Voraussetzungen dafür sind (siehe vorn):

  • Offenheit, Nicht-Gleichgewicht
  • Rückkopplung und Kooperation.

Zusätzlich ist es typisch, daß die neuen wesentlichen Zusammenhänge (Gesetze)

  1. bereits keimhaft im alten Zustand vorbereitet wurden, sich aber aufgrund
    ihrer Neuheit (gegenüber der alten wesentlichen Qualität) nicht
    durchsetzen konnten,
  2. sich erst im Verlauf des "Sprungs" wirklich konstituieren. Vorher sind sie
    nicht in Einzelheiten "vorhersagbar" und vorherbestimmbar!
    Der "neue Mensch" entsteht erst bei der Veränderung der Umstände,
    die die "neuen Menschen" möglich und notwendig machen.

7. Es entsteht "im" Sprung eine Vielzahl neuer Varianten von möglichen neuen Zuständen (biologische Radiation). Dies beruht auf der Unerschöpftheit der neuen Bedingungen/Ressourcen (ökologische Nischen). Erst im späteren Verlauf setzen sich nur einige der neuen Varianten in der Konkurrenz um die knapper werdenden Ressourcen durch.

  • Neues entsteht vorwiegend unter Bedingungen des Ressourcenüberschusses, nicht in der Konkurrenz um mangelnde Ressourcen.
  • Keime für Neues entstehen oft in isolierten Gebieten (weil sie da nicht gleich wieder zerstört werden) und an unerwarteten Stellen (um "genug anders und neu" zu sein). Eine Chance bekommt dieses Neue aber nur bei Ausbreitung und Verstärkung.
  • Einerseits werden kleine Veränderungen in große Bereiche übertragen (Verstärkung von Fluktuationen), andererseits entstehen insgesamt viele Variationen (Radiation).
  • Es setzen sich in der Konkurrenz nur die Varianten durch, die am besten kooperieren können.
  • Es setzen sich diejenigen durch, die sich im Netz der Kooperation zuerst stabil einbringen können. Diejenigen werden im Nachhinein die "Besseren" genannt, obwohl im direkten Vergleich später entstandene, jedoch chancenlose Varianten vielleicht besser gewesen wären (aber: wer zu spät kommt...).
  • Zur Konkurrenz noch eine interessante Untersuchung: Übliche Meinungen und Vor-Urteile zur Konkurrenz beruhen auf dem Gleichgewichtsdenken, wonach der Sieg des Einen die Niederlage des Anderen mit sich bringt. Ein anderes (Nicht-Gleichgewichts-) Modell, bei dem bei Kooperation beide gewinnen, spielte Axelrod (Die Evolution der Koevolution, 1991) durch. Demnach ist die Strategie die erfolgreichste, die im ersten Zug selbst Kooperation anbietet, um danach alle Züge des Gegenübers (je nachdem, ob dieser kooperierend oder "defektierend" spielte) zu wiederholen.
  • Es entstehen vielfältige neue Komponenten (Differenzierung), die sich jedoch auf neuartige Weise vernetzen und kooperieren (Synthese). Beide Prozesse vollziehen sich gleichzeitig und voneinander abhängig.

Bei der Ausbildung neuartiger Komponenten ist das Prinzip des Funktionswechsels wesentlich. Einmal vorhandene Strukturen übernehmen neben der bisherigen Funktion neue Funktionen oder bisher unwesentliche Nebenfunktionen werden zu wesentlichen Hauptfunktionen (Gehörknöchelchen entstanden aus Kiemenknochen).

8. Zu beachten ist der unterschiedliche Zeithorizont von Veränderungen auf den verschiedenen Ebenen der Seins-Struktur. Qualitative Umbrüche auf einer Ebene sind nur Veränderungen aus der Sicht der jeweils Umfassenderen. Insgesamt ergibt sich jedoch eine Ko-Evolution von Einheiten auf der gleichen Ebene, aber auch eine Ko-Evolution (durch gegenseitige Bedingungsänderungen) der Einheiten verschiedener Ebenen.

Dabei gilt: einige Ebenen erreichen neue Qualitäten nur auf der Grundlage, daß die anderen Ebenen sich kooperativ in die neuen Zusammenhänge einbringen. Wir Menschen haben mehr lebensnotwendige "primitive" Bakterien in unserem Körper, als es Menschen auf der Erde gibt.

"Kooperation" kann in diesem Zusammenhang auch "Versklavung" heißen (wie zuerst in der Synergetik bei H.Haken, was er später in "Konsensualisierung" umbenannte). Was es im Sinne der Anwendung für die Gesellschaft jeweils konkret bedeutet und bedeuten soll ist eine Frage der menschlichen bewußten Entscheidung und nicht scheinwissenschaftlich aus der Einzel- oder Allgemeinwissenschaft "vorgegeben"!!!

9. Entwicklung bedeutet : Neuentstehen von Möglichkeiten, aber auch der Abbruch früherer Möglichkeitsfelder durch die Bedingungsänderung. Früher noch Mögliches wird unmöglich. Einige der Möglichkeiten "frieren ein", verhindern die Existenz der jeweils entgegengesetzten früheren Möglichkeit (genetischer Code, linke "Spiralität" der Kohlenstoffmoleküle des irdischen Lebens, spätere Stammbaumabzweigungen...)

Eine Rückkehr zum Alten ist nicht möglich, nur eine "spiralförmige" Entwicklung. Schildkröten, die mehrmals zwischen Wasser- und Landleben wechselten, entwickelten mehrmals einen Panzer, der sich wieder rückentwickelte. Es war nie derselbe Panzer, sondern die Relikte aller Panzer sind übereinander gelagert noch zu erkennen. Günstiger ist es, wenn diese scheinbare Rückkehr neue, qualitativ höhere Zustände erreicht, wo eine echte Höherentwicklung vorliegt. Dann hat sie die Eigenschaft, ihre "Negationen zu negieren". Es gibt hierbei kein allumfassendes Maß des "Höher" (auch die "Komplexitätssteigerung" reicht nicht aus, weil sie die betrachteten Einheiten und ihre Wechselwirkungen nicht genau genug faßt).

10. Die Evolutionsprinzipien evolvieren selbst. Indem mit der Entstehung neuer Qualitäten neue Gesetzmäßigkeiten entstehen, entstehen auch neue Formen der Evolution.

11. Für die Evolution des Lebendigen scheint es einige Merkmale zu geben, wie:

  • Beschleunigung der Evolution mit ansteigender Organisationshöhe,
  • Das Feld der offenen Möglichkeiten wird in der Tendenz breiter,
  • die Wahrscheinlichkeit zur Höherentwicklung steigt auf höheren Stufen.

12. Die gesellschaftliche Evolution kann nicht einfach aus den vorherigen Erkenntnissen abgeleitet werden. Die spezifischen Gesetze und Triebkräfte können nur aus der Erkenntnis der Gesellschaft selbst erkannt werden. Es ist zu erwarten, daß neue Gesetzmäßigkeiten entstehen, die die alten wesentlich überlagern und z.T. außer Kraft setzen können (das betrifft nicht die Außerkraftsetzung physikalischer oder biotischer Zusammenhänge als Grundlage für das Gesellschaftliche ). Die Entwicklung der Menschheit beruht auf materiellen Grundlagen - sie kann physikalische oder biotische Zusammenhänge nicht aufheben, sondern nur erkennen und nutzen. Das Nutzen kann einerseits im Sinne einer "Überlistung" (E.Bloch) geschehen - dies aber ist nur eine der möglichen Umgangsformen und führt dazu, daß die materiellen Zusammenhänge "zurückschlagen", wenn die Überlistung zu einer Veränderung der Lebensbedingungen über das mögliche Maß hinaus geführt haben. Andererseits wäre eine Nutzung im Sinne der Ko-Evolution möglich. Auch "die Natur ist kein Vorbei" (Ernst Bloch, siehe auch A. Schlemm in "Ökovision" Nr.2, S. 21) und wartet darauf, sich durch und mit ihrem höchstentwickelten Teil Menschheit weiterzuentwickeln.

All diese Prinzipien tauchen in meinem Buch ("Daß nichts bleibt, wie es ist..." LIT-Verlag, 1996) mehrere Male an den verschiedenen Stellen der Evolution vom Urknall bis zum Menschen auf. Darin stehen dann auch die "Beispiele".

Ein typisches Beispiel will ich hier nur andeuten:

Ein Beispiel für Qualitätssprünge ist das Entstehen der Eukaryoten.

Die ersten Einzeller (ohne Zellkern, Prokaryoten) erzeugten den ersten Sauerstoff. Und als der Sauerstoff schließlich in die Luft gelangte, drohte sich das einzellige Leben selbst damit zu vergiften (Sauerstoff ist ein Zellgift). Die Lösung gelang durch innere zellulare "Umbauten" (Schutz vor Zellgift) und die Weiterexistenz war nur möglich, indem sich weitere Einzeller entwickelten, die lernten, Sauerstoff abzubauen und Kohlenstoff als Nahrungsgrundlage für die Anderen freizusetzen.

Notwendig für eine innovative Lösung war also die

  • innere Plastizität und
  • äußere Kooperation/Wechselwirkung/ Vielfalt.

Man kann einiges lernen für unsere Situation der Menschheitsprobleme!



Geschrieben für die 2. Bucher Zukunftswerkstatt - 16.9.95

(und erschienen in der Zeitschrift ÖKOVISION 3, Sommer 1996)

siehe auch:

oder siehe untenSystemtheorie  AutopoieseSelbstorganisationEntwicklungsprinzipienGesellschaftstheorienAttraktoren und ChaosChaosZukunft zum Selbermachen

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