Umfassende Bereiche:
Alles fließt und springt...
Es gab in der Natur niemals einen Stillstand. Die Natur kehrte auch niemals in ihre Anfänge zurück, ihre Kreisläufe führten nie in den Ausgangspunkt zurück, sondern hinterließen Veränderungen, die aus den Kreisen Spiralen machten.
Seit dem "großen Knall" formte sich die Materie
in verschiedenen kosmischen Strukturen aus, auf einigen diesen
Strukturen, auf einigen der um Sonnen kreisenden Planeten entstanden
neue Materieformen: lebende Formen. Wir kennen nur das irdische
Leben, aber auch dieses entwickelte einen unermeßlichen
Formenreichtum und kennt keinen Stillstand. Leben ist davon gekennzeichnet,
daß sein Sein nie statisch, unbewegt ist. Lebendiges kann
nur in Prozessen, ständigen inneren und äußeren
Wechselwirkungen existieren.
Bereits die ersten Einzeller veränderten die Atmosphäre
der Erde grundlegend. Sie erzeugten Sauerstoff und verminderten
den Kohlendioxidanteil der Luft. Sauerstoff ist eigentlich ein
Gift für die Organismen und das Kohlendioxid in der Atmosphäre
war als Treibhausgas unentbehrlich, um die Temperatur auf dem
Planeten Erde über der Gefriertemperatur des lebensnotwendigen
Wassers zu halten. Damit waren bereits die Lebensprozesse der
ersten Lebewesen die Ursache für eine erste "globale
Katastrophe". Aber das Lebendige meisterte sie. Die entstehende
Sauerstoff-atmosphäre war sogar überhaupt erst die Voraussetzung
für alle späteren Lebensformen. Tatsächlich hätte
die globale Veränderung auch das Ende des Lebens auf der
Erde bedeuten können (wie später auch große Tiergruppen
durch Katastrophen mehrmals vollständig hinweggerafft wurden).
Deshalb soll dieses Beispiel auch nicht heißen, daß
ich die derzeitigen ökologischen Gefahren und die heranreifende
Klimakatastrophe "verniedlichen" möchte. Es kann
sein, daß das irdische Leben durch die durch uns erzeugten
globalen Katastrophen ausgelöscht wird. Wollen wir aber bereits
die schon nicht mehr aufhaltbaren Veränderungen (Temperaturanstieg,
Vegetationswechsel) innovativ überleben, können wir
von den "Erfahrungen" der ersten Einzeller lernen. Die
damaligen innovativen Erfindungen, die einerseits ein Überleben
ermöglichten, andererseits neue Formen des Lebens erzeugten,
bezogen sich auf zwei Dinge: Einerseits waren die Einzeller innerlich
noch offen genug für Veränderungen (Einbau eines zellularen
Sauerstoffschutzes). Andererseits wirkten verschiedene Lebensformen
arbeitsteilig innerhalb des globalen Stoffwechsels, so daß
andere Einzeller wiederum Kohlendioxid und Methan als notwendige
Treibhaus-gase erzeugten. Die innere Plastizität und die
äußere Wechselwirkung vielfältiger Lebensformen
war also eine notwendige Voraussetzung für die rettenden
Innovationen. Die Menschen veränderten ihre Umwelt auch von Beginn an sehr stark. Nicht erst die Industrialisierung zerstörte Ökosysteme. Im 10. Jahrhundert unserer Zeitrechnung war in Europa noch 90% der Fläche mit Wäldern bedeckt. Die nichtindustrielle Produktions- und Lebensweise verschlang dann innerhalb von 100 Jahren Holz und schuf Ackerland, daß dann nur noch 20% der Fläche bewaldet war.
Es gibt keinen Stillstand. Der Prozeß des Seins braucht
die Bedingungen der Existenz auf. Allein dadurch vergeht Altes.
Aber es entsteht auch immer Neues. Veränderte Bedingungen
ermöglichen vorher Unmögliches. Die vorherigen Seinsformen
entwickeln sich weiter zu neuen. Das Neue greift in nicht hundertprozentig
vorherbestimmte Offenheit, ist aber durchaus nicht völlig
beliebig, sondern ist wiederum von Umständen abhängig.
"An der Front ihres Prozesses ist der Zielinhalt selber in Gärung und realer Möglichkeit" beschreibt dies Ernst Bloch (Das Prinzip Hoffnung, S. 223).
Aber "gerade sein Offenes (ist) durchaus
nicht Beliebiges .... Auch das Kann-sein ist gesetzlich"
(Subjekt-Objekt, S. 258).
Die Veränderung des Seins erfolgt zeitweise eher stetig und
kontinuierlich innerhalb des Maßes seiner grundlegenden
Eigenschaften (Grundqualität). Wird durch die Bedingungsänderung
das Maß der wesentlichen Qualitäten jedoch überschritten,
kommt es zu sprunghaften Wechseln der Zustände. Hier ist
die Offenheit des Prozesses größer, die Sensibilität
gegenüber äußeren Einwirkung sehr groß -
aber auch die Auswahlmöglichkeit wird rapide ausgeweitet,
bis ein ausgewählter neuer Zustand sich etabliert hat und
wieder innerhalb seiner Grundqualität seinem begrenzenden
Maß erst nur langsam, dann wieder schneller näher kommt.
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Abbildung: Evolution durch Bedingungsänderungen zwischen stetigem Prozeß und
Die sich selbst organisierende Evolution alles
Lebendigen ist also kein statisches "Im-Kreis-Laufen",
sondern ein ständiges Schreiten in Neues, ein Ausprobieren
neuer Wechselwirkungen fernab vom toten Gleichgewicht. Ökologie
des Lebendigen ist eine Nichtgleichgewichtsökologie, nicht
das ruhende Gleichgewicht des immer Gleichen.
Was können wir tun? Das Erscheinen der Menschen in der Natur gibt der Natur neue Kräfte. Mittels des Menschen kann die Natur auf sich selbst einwirken. Die Natur selbst ist schöpferisch und produktiv. Ernst Bloch - der Philosoph der "begriffenen Hoffnung" - sieht als zukünftige Vision die Möglichkeiten einer Allianztechnik, die die heutige Überlistungs-Technologie ablösen muß. Sie dient der "Entbindung und Vermittlung der im Schoß der Natur schlummernden Schöpfungen" (Bloch, Das Prinzip Hoffnung, S. 813), "verwendet die Wurzel der Dinge mitwirkend" (ebenda S. 805).
Diese Technik dient der "Vermittlung mit dem Produktionsherd
des Weltgeschehens insgesamt" (Bloch, Das Prinzip Hoffnung,
S. 288).
Bloch selbst griff in der Auswahl der Technologien daneben (er
bezog auch die Kernkrafttechnik in diese Allianztechnik ein).
Aber dies ändert nichts an der beschriebenen Möglichkeit
einer schöpferischen Allianz. Er selbst betonte die Rolle
der auswählenden, entscheidenden Subjektivität, die
sich erst voll entwickeln kann unter veränderten sozial-ökonomischen
Bedingungen. Das der Allianz-Technik adäquate "soziale
Haus" muß erst noch errichtet werden. Es gibt keine
(zeitliche) Trennung zwischen der Veränderung der Umstände
und der Veränderung der Menschen selbst. So schwer dies ist,
keine kann zeitlich vor dem andren erfolgen. Selbstorganisation,
wie oben beschrieben, beruht auf nichtlinearen, positiven (sich
gegenseitig verstärkenden) Rückkopplungen, die gleichzeitig
ablaufen. Es gibt keinen einfachen Weg: "Erst machen wir
das eine, dann folgt das andere als Wirkung".
das noch gar nicht adäquat vorhandene Bauzeug für das noch gar nicht adäquat vorhandene menschliche Haus." (Das Prinzip Hoffnung, S. 807) Die Einheit der Abschaffung der Entfremdung in Mensch und Natur (Bloch, Das Prinzip Hoffnung, S. 277) wird bei Marx als Einheit der Naturalisierung des Menschen und der Humanisierung der Natur als Wesen des Kommunismus formuliert.
"Der subjektive Faktor ist hierbei die unabgeschlossene Potenz,
die Dinge zu wenden, der objektive Faktor ist die unabgeschlossene
Potentialität der Wendbarkeit, Veränderbarkeit der Welt
im Rahmen ihrer Gesetze, ihrer unter neuen Bedingungen sich aber
auch gesetzmäßig variierenden Gesetze.( Subjekt-Objekt,
S. 286)
Wir müssen uns selbst verändern und die Umstände
verändern, in denen wir sind. Mit Blochschen Worten gesprochen:
Unser Anders- Seinkönnen kommt nur zustande, wenn wir Anders-Tunkönnen
(also selbst aktiv anders wirken) und wenn es uns die Umstände
ermöglichen, Anders-Werden zu können (Das Prinzip Hoffnung,
S. 266/267).
Für die Lebenspraxis heißt das: Wir können nicht
aus unserer Biologie und der Gesellschaftlichkeit aussteigen,
ohne unser Menschsein zu verlieren. Wir müssen essen, uns
kleiden, wohnen und die notwendigen Dinge dafür herstellen
und deshalb in die Natur eingreifen. Tagtäglich muß
das Leben weitergehen, aber nicht so wie die Tage, Wochen, Monate
und Jahre vorher, sondern auf dem Weg in neue Zukünfte.
Die Möglichkeiten dafür werden
von der konkreten Situation vorgezeichnet. Die sieht in unserer
zersplitterten Gesellschaft für verschiedene Menschen oft
sehr verschieden aus. Deshalb kann nicht ein Weg als der Richtige
für alle vorgeschrieben werden. Einige Eckpunkte jedoch sind
für alle gleich. Das betrifft z.B. den Zugang zu den Mitteln,
die wir zur Reproduktion des Lebensnotwendigen (und auch das ist
eine historische Größe) brauchen. Ich kann mich nicht
nur im Innern verändern, wenn ich Monat für Monat das
Profitsystem bediene und von ihm mit Zinsen fürs eigene Konto
profitiere.
Die neuen Zukünfte mögen vorerst nur keimhaft vorhanden
sein und sehr langsam wachsen. Aber das Konzept der Selbstorganisation
kennt diesen Zustand vor dem "Sprung" in neue Zustände
als völlig normal. Das muß also nicht entmutigen. Alle
"Graswurzel"- Aktivitäten, das Pflanzen jedes Bäumchens
auch in fast auswegloser Situation kann das Maß der alten
Gesellschaft sprengen helfen und dem Aufbau neuer gemeinschaftlicher
Strukturen vorarbeiten. Die Tendenz auf vielen Ebenen, der menschlichen wie auch der technologischen, verweist auf eine mögliche Zukunft miteinander vernetzter dezentraler Lebens- und Produktionsorte. Die Dezentralität verweist auf die Möglichkeit der Unterschiedlichkeit. Wir können ein "einheitliches Konzept" als Rezept nicht nur entbehren, sondern es wäre ein Fehler ein solches aufzustellen oder zu fordern.
Insofern stehen die Zeichen nicht schlecht, daß die Mittel
und Methoden des Wegs und des Ziels diesmal nicht auseinanderklaffen.
Stetigkeit und Sprung selbst sind nicht immer genau voneinander
zu unterscheiden. Wir gutsituierten Europäer fühlen
uns noch sehr auf einem stetigen Weg, die Menschen im Trikont
und den Kriegsgebieten dagegen erleben diese Zeit ganz anders.
Jeden Tag geschieht auch im Leben vieler einzelner Menschen bei
uns ein Bruch. Oft endet er im Verzweifeln,
der Hoffnungslosigkeit, der Betäubung. Der Bruch wird noch
zu selten für einen Sprung in eine neue Lebensweise genutzt.
Die Angst vor dem Verlust der alten Sicherheiten führt oft
erst einmal zur regressiven Umwandlung von Angst in Aggression.
Die daraus erwachsenen Gefahren sollten wir stärker untersuchen,
um ihnen entgegenwirken zu können. Der neue "Faschismus"
kann sich mit einer Öko-Orientierung verbinden, die das Menschliche
ganz aus der "an sich reinen" Natur verdrängen
will. Um hier nicht nur defensiv zu bleiben, sondern eine eigene
Vision zu haben, habe ich die Gedanken von Bloch über eine
mögliche Allianz in der Weiterentwicklung von Mensch und Natur aufgegriffen.
siehe auch:
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