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Schellings Dialektik III
Der Abfall vom Absoluten in "Philosophie und Religion" und die "Freiheitsschrift"


Der Wendepunkt im Jahr 1804 war bereits durch die Einführung der intellektuellen Anschauung im Jahr 1800 eingeleitet worden. Hegel kennzeichnet die intellektuellen Anschauung als "gewisse mystische Intuition" (SW X: 146; vgl. Hegel HW 8: 177 f.). Dem stellt der späte Schelling in der "Philosophische[n] Einleitung in die Philosophie der Mythologie" (ca. 1847-52) eine ausführlichere Darstellung seiner Methode gegenüber. Die Dialektik, die er dabei entwickelt, ist nach Engels eine "Karikierung der Hegelschen Dialektik" (Engels 1842: 191) und nach Oeser "wohl das Bedeutendste [...], was der alte Schelling geleistet hat" (Oeser 1965: 115). Der Weg dahin ist noch lang, aber lässt bei allem Wandel eine gewisse Richtungskonstanz erkennen.

Die Freiheitsschrift

Einen weiteren Impuls in Richtung religiöser Mythologie, der sich auch stark von Jakob Böhmes Denken speiste, erhielt Schelling wohl durch die Bekanntschaft mit Franz Baader in München ab 1806. Deutlich ist auch sein Bemühen, die Philosophie nicht im Reich des rein Geistigen zu belassen, sondern sich stärker dem Realen zuzuwenden. Das Reale ist der Leib der Philosophie, es ist Grund und Mittel, worin sich ihr Geist verwirklicht, "Fleisch und Blut annimmt" (SW VII: 356). Dabei kommt das Ungeordnete, Chaotische, ja das Böse stärker in den Blick. Die Beziehung von Chaotischem und Geordnetem, von Bösem und Heilvollem lässt sich für Schelling nun in christlichen Vorstellungen vorstellen und darlegen. Sündenfall und Heil durch Christus - unter besonderer Berücksichtigung einer spezifisch menschlichen Freiheit, dies wird zum Gegenstand einer Schrift "über das Wesen der menschlichen Freiheit" (SW VII: 333 ff.). Hier wird nun, vor allem in Absetzung gegen den Vorwurf des Pantheismus, eine Vorstellung entwickelt, bei der nicht nur Gott und Welt, sondern auch eine innere Differenzierung in Gott und dessen Urgrund thematisiert wird. Alles geht aus dem Urgrund hervor. Dieser wird auch als "Ungrund" bezeichnet, denn er ist völlig unbestimmt und indifferent (ebd.: 406 f.). Der Ungrund ist nicht die Quelle der Gegensätze, sondern er ist ein "von allem Gegensatz geschiedenes Wesen, an dem alle Gegensätze sich brechen, das nichts anderes ist als eben das Nichtsein derselben" (ebd.). Aus diesem "Weder-Noch" bricht nun unmittelbar eine Dualität hervor. In Gott zeigt sich diese Dualität folgendermaßen: Es gibt hier einerseits einen "Grund" Gottes (ebd.: 358), dies ist seine "Drangschicht" (Fuhrmans 1964: 144), d.h. das Bewusstlose und Niedere in Gott. Davon ist andererseits zu unterscheiden dessen Eigentliches, das Geistige, seine "Existenz". Die endlichen Dinge haben ihren Grund in dem, "was in Gott nicht Er Selbst ist" (SW VII: 359), deshalb können wir in der Welt, "wie wir sie jetzt erblicken", auch Regel, Ordnung und Form" erkennen, "aber immer noch liegt im Grunde das Regellose, als könnte es einmal wieder durchbrechen" (ebd.:359). Finsternis ist das notwendige Erbteil aller Kreatur, sie stammt aus dem "wogend wallend Meer" (360).

"Alle Geburt ist Geburt aus Dunkel ans Licht; das Samenkorn muß in die Erde versenkt werden und in der Finsterniß sterben, damit die schönere Lichtgestalt sich erhebe und am Sonnenstrahl sich entfalte." (ebd.: 360) Im Menschen nun ist die Einheit von Grund und Existenz nicht mehr wie in Gott unzertrennlich, sondern zertrennlich, dieses ist die Möglichkeit des Guten und des Bösen" (ebd.: 364), wobei das Böse die "Erhebung des Eigenwillens" ist (ebd.).

Dialektik zeigt sich als Vermögen des Verstandes, in einer "stufenweise geschehenden Entfaltung" (ebd.: 362) die im Samen noch unbewusste Einheit zur Geltung zu bringen, "so wie im Menschen in die dunkle Sehnsucht, etwas zu schaffen, dadurch Licht tritt, daß in dem chaotischen Gemenge der Gedanken, die alle zusammenhängen, jeder aber den andern hindert hervorzutreten, die Gedanken sich scheiden und nun die im Grunde verborgen liegende, alle unter sich befassende Einheit sich erhebt; oder wie in der Pflanze nur im Verhältniß der Entfaltung und Ausbreitung der Kräfte das dunkle Band der Schwere sich löst und die im geschiedenen Stoff verborgene Einheit entwickelt wird." (ebd.: 361). Als "dialektisches Prinzip" bezeichnet Schelling den "sondernde[n], aber eben darum organisch ordnende[n] und gestaltende[n] Verstand, zugleich mit dem Urbild, nach dem er sich richtet". (ebd.: 415).

In seiner Münchner Zeit beginnt Schelling die Arbeit am Werk "Die Weltalter"(SW VIII: 195 ff.), in welchem er die Geschichte als Akt der Offenbarung Gottes darzulegen versucht. Ebenfalls interessant bezüglich der philosophischen Konzeptualisierung der Rolle von Potentialität und Möglichkeit sind die Erlanger Vorlesungen (Init).


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