Lese-Bericht von Annette Schlemm:

Norman Spinrad: Transformation
Wilhelm Heyne Verlag München, 2002

Eigentlich gibt es das Buch "Die Transformation" nur als schon längst ausverkauftes Buch des Science-Fiction-Autoren Dexter Lampkin, der der Held des Science-Fiction-Romans "Die Transformation" des Autoren Norman Spinrad ist.

Spinrad, der im Pringle-SF-Lexikon als "einstiger SF-Revoluzzer" bezeichnet wird, gönnt seinem Helden das gelungene Buch über die Die Transformation, den Aufruf zur endgültigen Menschheitswende. Die Menschen kamen nicht von selber darauf, welche Wende notwendig ist zum Überleben ihrer Zivilisation und einem besseren Leben, deshalb schilderte es ihnen Lampkin anhand einer Göttin aus dem Weltraum. Endlich war ein SF-Autor seiner Verantwortung gerecht geworden und es hätte so schön werden können... wenn die Menschheit wenigstens diesen Wink mit dem Zaunspfahl verstanden hätte. Aber nein, das Buch wurde zwar ausverkauft, aber konsumiert wie alle anderen Bücher ohne weitergehende Wirkung. Lampkin selbst langweilt sich auf den Treffen von SF-Fandoms in "Hotels mit Massen hirnrissig konstümierter Menschen", darunter auch der "Transformisten", die ihn nur immer wieder daran erinnern, wie naiv seine Hoffnung auf eine Wirkung seines Romans war. Ja, so ist das Leben. Irgendwann begreift es jeder.

Jimmy Balaban, ein heruntergekommener Agent von Kleinstadtkomikern, hängt gerade in einem Nest rum und ärgert sich in der Hotelbar über den unprofessionellen Auftritt eines Möchtegernkomikers namens Ralf. Dessen Nummer beruht darauf, dass er sich darüber aufregt, von seinem Agenten aus der Zukunft heraus ins falsche Jahrhundert geschickt worden zu sein. Das Geschimpfe auf die von ihm in dieser beschissenen Zeit vorgefundenen Zustände ist manchmal wirklich zum Lachen - bis es einem im Hals stecken bleibt. Nun, für Jimmy ist Ralf aufgrund seines unglaublich fixen Mundwerks aber trotzdem brauchbar - es entwickelt sich eine Geschäftsbeziehung.

Da Ralf partout auf seiner Masche, aus der Zukunft geschickt worden zu sein, besteht, nimmt Jimmy sich nun den SF-Autor Dexter als Gagschreiber ins Boot, der aufgrund finanzieller Sorgen sogar mit schlechter Miene am schlechten Spiel teilnehmen muß. Dexter kriegt im Transformistenzirkel zwischendurch auch erklärt, dass man nach der neu erkannten Chaostheorie nie wissen kann, "ob irgendetwas, was man tat, nicht die Welt veränderte, und zwar nicht einmal, wenn man der Allmächtige in Person war". Also bleibt nichts übrig, als einfach zu leben, einfach etwas tun. Vielleicht... Aber erst einmal erzählt Ralf aus seiner Zukunft: "Und da sitzen wir nun, Affenboy, wie Hamster in stinkigen Terrarien, leben unter Pflanzenlampen, atmen unsere recycelten Fürze und mampfen aus unserer eigenen Scheiße hergestelltes Einheitsfutter. Willkommen auf dem Totenschiff Erde!"

Da in das Team auch noch die esoterisch angehauchte Amanda genommen wird, ergeben sich köstliche Kontraste zwischen Wissenschaft und Spiritualität, zwischen "SciFi-Freaks und den NewAge-Traumtänzern" - ebenso wie solche zwischen den Geschlechtern. Niemand glaubt Ralf, dass er aus dem 22. Jahrhundert kommt, sie wollen nur an ihm verdienen, was auch anders in dieser Gegenwart. Und dies gelingt sogar erstaunlich gut. Aus dem Hinterhofkomiker wird ein Fernsehstar, der seine eigene Show bekommt. Die Beteiligten werden reich, sogar der SF- Autor kann sich mit viel Geld und einem Superauto über den Verlust seiner Träume und Hoffnungen trösten. Kann er? Nein, es keimt Hoffnung: "Gebt mir eine Stunde Hauptsendezeit und dreizehn Wochen Laufzeit, und ich hebe die Welt aus den Angeln." Natürlich geht das nicht so einfach. Und dann durchlebt die Leserin auch noch den Niedergang der Straßennutte Lotti, in der sich ein Ratzerich aufmacht, den Funken Hoffnung zu erstechen. Keine Angst, in diesem Buch bleiben auch die Verwirrungen noch verständlich, deshalb darf jetzt nicht mehr verraten werden.

Aber auch Spinrads wirkliches Buch "Die Transformation" wird es nicht schaffen, dass wir die Botschaft so verstehen, dass wir auch an unserem Verhalten und Tun etwas ändern. Jedenfalls nicht dieses Buch allein.

"Immerhin stützte sich die Daseinsberechtigung der Science Fiction ja samt und sonders auf das Postulat, dass es so etwas wie die Zukunft nicht gab, sondern von jedem Moment des Jetzt multiple potenzielle Zukünfte abzweigten, die kollektive Zukunft der Menschen so ausfiel, wie sie selbst sie gestalteten." (S. 609)

P.S.

In einem Lokal begegneten sich ein Hippie und ein Geschäftsmann, und der Geschäftsmann laberte auf den Hippie ein, er sollte doch endlich das Gammeln aufgeben und sich anständige Arbeit besorgen.
"Sehen Sie mich an, ich hab ein Haus, eine Frau, zwei Kinder, ein Auto und ein Wochenendhaus im Wald in Big Sur, wo wir jeden Sommer zwei Wochen bezahlten Urlaub verbringen, bloß rumhängen, uns ganz gemütlich einen antrinken und den Blumen beim Wachsen zuschauen."
"Stimmt", sagte der Hippie, "Sie schuften sich im Jahr fünfzig Wochen hindurch die Eier ab, bloß um zwei Wochen lang tun zu können, was ich das gesamte Jahr tu." (S. 81)

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