Einiges zur Postmoderne

Zygmunt Baumann, Flaneure, Spieler und Touristen, Hamburg 1997

Aus meinen Konspekten stelle ich hier einige Charaktierisierungen der vergehenden Moderne und des Kommenden zusammen, weil es vielleicht auch anderen helfen kann, sich einen klitzekleinen Eindruck von Argumenten dazu zu verschaffen:

Zygmunt Baumann, Flaneure, Spieler und Touristen, Hamburg 1997

 

Moderne

Postmoderne

Vernunft der Geschichte oder Geschichte als Werk der Vernunft (40)

Die modernen Erzählungens uchten ihre Legitimität "in einer einzulösenden Zukunft, das heißt in einer noch zu verwirklichenden Idee." (nach Lyotard, S. 40)

"Die Moderne war ein unermüdlicher Versuch, die Ziele zu fixieren: die immergleiche Zukunft zubinden, die dieser Anstrengung ihren Sinn gab." (41)

"Jetzt endlich "richten wir uns auf und stellen uns dem Chaos." (34)

"Wir sind nicht einmal an einem Scheideweg: Soll ein Scheideweg ein solcher sein, muß es erst einmal Wege geben. Wir wissen nun, daß wir erst Wege schaffen: die einzigen Wege, die es dort gibt und geben kann - und wir tun dies einzig dadurch, daß wir sie gehen." (34)

"Nicht das Fehlen des Fortschritts, sondern im Gegenteil die technisch-wissenschaftliche, künstlerische, ökonomische und politische Entwicklung haben die totalen Kriege, den Totalitarismus, den wachsenden Abstand zwischen demReichtum imNorden und der Armut imSüden, die Arbeitslosigkeit und die "neue Armut" ... ermöglicht." (Lyotard, zit. S. 54)

"Es ist unmöglich geworden, diese Entwicklung durch dasVersprechen einer Emanzipation der gesamten Menschheit zu rechtfertigen." (Lyotard, zit. S. 54)

 

® Ende der Entwicklungssaga (59)

das Projekt der Moderne forderte in letzter Instanz eine Welt frei von moralischer Ambivalenz (13), Ersetzung der autonomen moralischen Entscheidung durch das Sittengesetz (13),

Verlagerung der Verantwortung für die Entscheidungen vom moralischen Subjekt auf überindividuelle Instanzen verlagert (14)

Wahl zwischen Gehorsam und Ungehorsam

Leiden der Autonomie (15)

"Tyranei der Möglichkeiten" (H.Ahrendt)

 

"Die Wurzeln postmoderner Moralprobleme sind auf die Bruchstückhaftigkeit des gesell. Kontextes und die Episodenhaftigkeit der Lebensinteressen zurückzuführen." (21)

Zukunft kontrollieren (145)

Zukunft unter keinen Umständen verbauen (145)

 

"Dinge geschehen, statt einander zu folgen und zu binden." (62), Fluß der Zeit in eine stete Gegenwart einebnen (145)

predigt Befriedigungsaufschub

predigt Zahlungsaufschub (16)

"War das Sparbuch der Inbegriff des modernen Lebens, so ist die Kreditkarte das Paradigma des postmodernen." (16)

Reisende folgen angelegten Wegen, statt sich ihren eigenen Weg zu bahnen - als Kennzeichen einer Zivilisation (60)

"Wir sind immer noch unterwegs, aber wir wissen nicht mehr wohin." (61)

Problem der Identität: Identität konstruieren und sie fest und stabil zu halten (133)

Festlegung vermeiden unds ich Optionen offenhalten (133) : "Der Angelpunkt der postmodernen Lebensstrategie heißt nicht Identitätsbildung, sondern Vermeidung jeglicher Festlegung." (146)

"Man denkt an Identität, wann immer man nicht sicher ist, wohin man gehört." (134)

Identität ist eine indirekte Behauptung der Unangemessenheit oder Unvollständigkeit des "was ist" (135)

Individuen als Produzenten/Soldaten (248)

Individuen als Konsumenten/Spieler (249)

Leben als Pilgerreise:

"der wahre Ort liegt immer ein Stück weg und eine Weile entfernt. Wo immer der Pilger gerade sein mag, es ist nicht da..." (136)

Spaziergänger. Begegnungen als Vergegnungen ohne Auswirkung (150) , "mall" = Spazierwege; Schnappschuß-Blicke (215)

Vagabund: nicht aus Widerwillen oder Unfähigkeit, sich niederzulassen, sondern aufgrund der Knappheit anbesiedelten Orten (155)

Tourist: hat Zuhause, wünscht Kontrast, bewußter und systematischer Sammler von Erfahrungen (156)

"Gleichförmigkeit des Verhaltens, die sich in der Konformität der Einstellungen wiederholte, war das zentralste aller gesellschaftlichen Anliegen und der Maßstab, an dem sich die meisten, vielleicht alle gesellschaftlichen Institutionen zu messen hatten("Sozialisation" wurde expliziert als eine Art, die Leute so zu erziehen, daß sie zu tun wünschen, was sie tun müssen." (182)

"Der Aufseher, der Vorarbeiter, der Lehrer, sie alle verschwinden - zusammen mit ihrer Macht , Zwang auszuüben. Dies ist nun Sache der Selbstüberwachung, der Selbstprüfung und Selbstanleitung." (184)

® "Regime der Selbstformung, die von Waren des Marktes bedient wird." (185)

 

"Wie zuvor müssen wir handeln, ohne des Sieges von vornherein gewiß zu sein. Dies war übrigens immer der Fall. Nur jetzt wissen wir, daß es so war und so ist." (Abschlußsatz S. 264)

 

"Philosophie war immer und bleibt weiterhin ein informierter, nachdenklicher Kommentar zum Sein (20)

 

 

 

Flusser, V., Vom Subjekt zum Projekt. Menschwerdung, Bernsheim-Düsseldorf 1994

 

modern = "neuzeitlich" (9)

neu

Mensch beugt sich nicht länger vor Gott, sondern über die Dinge (9) - Untertanen von Bedingungen ( 30)

... daß wir uns nicht mehr vor oder über etwas beugen, sondern zu entwerfen beginnen ( 24)

Untertänigkeit ®

Entwerfen ( 27)

moderner Fortschrittsglaube, man könnte durch technische Veränderung der Dinge den Menschen retten ( 11)

Wir können diesen Glauben nicht mehr teilen ( 11)

 

Verdacht, daß die Gesetze von uns selbst aufgestellt werden ( 9)

 

Zersetzen der Dingwelt in Beziehungsfelder ( 16)

Dorf und Stadt sind Fabriken für Masken, mit denen sich die Leute identifizieren ( 48)

subjektzertrümmernde Vermassung ( 29)

Individuum ist beliebig teilbar ( 17) ® neue u-topische (ortlose) Stadt zu entwerfen ( 54)

 

® Feld für Projizieren alternativer Menschen und Welten wird frei ( 18)

Wissenschaft: Entdecken von Wahrheit

Theorie als Projizieren von Bedeutung ( 57)

 

 

"Nachdem wir uns als ein Nichts im Nichts aufgeklärt haben - als Knoten vernetzter Relationen, die nichts verbindet -, können wir überhaupt erst beginnen, dieses Nichts zu verneinen. Eine derartige negative Anthropologie ("Neg-Anthropologie") ist nicht nur etwa eine theoretische philosophische Sicht (ein negativer Glaube), sondern vor allem eine Praxis." ( 18)


siehe auch:
Wir sind immer noch unterwegs... (Z.Baumann)
und
Projektieren und Entwerfen mit Flusser

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