Neue Arbeit siehe auch hier 1. Situation 1.1. Zahlenmäßig In der BRD nahm die Anzahl der Beschäftigten ab, jedoch die Erzeugung von Produkten und die Zahl der Erwerbslosen stieg an: |
Jahr | Beschäftigte | Produkte im Wert v. | Erwerbslose |
1991 | 36,5 Mio | 2854 Mrd. DM | 2,6 Mio |
1997 | 34,1 Mio | 3134 Mrd. DM | 4,3 Mio |
Im Dienstleistungssektor sind noch Rationalisierungsreserven von bis zu 74% möglich (Prof. Bonß nach Liebers 1997). Unternehmensberater setzen voraus: "Wenn Sie die Produktion auf schlanke Techniken umstellen, können Sie die menschliche Arbeit um die Hälfte reduzieren. Eliminieren Sie gleich am Anfang diejenigen Jobs, die nicht erhalten werden können." (Womack und Jones nach Hoch, 1997) In gewissem Sinne endet damit die Arbeitsgesellschaft, die die moderne bürgerliche Gesellschaft seit Jahrzehnten prägte. J. Rifkin beschreibt "Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft" auf der Grundlage der dramatischen Entwicklung der technischen Produktionsmittel, die zu massenhafter Arbeitsplatzvernichtung führt. Nicht alle sehen die Situation so. H. Nick z.B. meint: "Irrige Gedanken erlangen oft Berühmtheit - sobald man sie mit erfundenen Zahlen belegt...Die Linken sollten die Zuversicht aufbringen, Produktivitätsfortschritt als Fortschritt zu begreifen... Und die Arbeit und das Menschenrecht auf Arbeit hochhalten!" (Nick 1997) Warum sollen wir das eigentlich? |
Eine seltsame Sucht beherrscht die Arbeiterklasse aller Länder, in denen kapitalistische Zivilisation herrscht, eine Sucht, die das in der modernen Gesellschaft herrschende Einzel- und Massenelend zur Folge hat. Es ist dies die Liebe zur Arbeit, die rasende, bis zur Erschöpfung gehende Arbeitssucht. Paul Lafargue |
Keynes 1930: "Ökonomische Möglichkeiten für unsere Enkelkinder": Drei-Stunden-Schichten
D. Dante hat mit Zahlen von 1988 nachgewiesen, daß wir mit dem gleichen Luxus und Lebensstandard wie 1989 nur 5 Stunden Arbeit pro Woche leisten brauchen:
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jetzt: |
40 Stunden pro Woche |
Abzug aller geldwirtschaftlichen Tätigkeiten (- 12,43 h) Abzug geldwirtsch. Tät. in anderen Bereichen (- 8,97 h) Arbeitseinsparung durch langlebige Güter (- 6,2 h) Einsparung durch andere Strukturen Beenden der Energieverschwendung Einbeziehen aller Arbeitswilligen Vollautomatisierung |
27,57 h bleiben 18,6 h bleiben 12,4 h bleiben 10,08 h 9,78 h 6,89 h 4,91 h |
1.2. Qualitativ 2. Vorschläge Abgesehen von den in Deutschland weitverbreiteten Losungen: "Weiter so und noch mehr gegen die Kleinen..." gibt es auch andere Konzepte, die grundlegend gewandelte Bedingungen voraussetzen und zum Teil neue gesellschaftliche Strukturen vorschlagen: |
2.1. Arbeitsplätze auf Kredit (P.Grottian)
Noch im Bereich der Beschaffung "normaler" Arbeitsplätze bleibt der Vorschlag, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Kredit für einen neugeschaffenen Arbeitsplatz erhalten sollen (wer ist dann noch Arbeit"geber" und -"nehmer"?). Hält der sich auf Dauer, dann zahlen sie Kredit zurück, ansonsten übernimmt Staat die Bürgschaft. 20 Mrd. DM werden für 1 Mio Arbeitsplätze veranschlagt. Zur Finanzierung könnte im öffentlichen Dienst bei den oberen Einkommensgruppen eine Arbeitszeitverkürzung um 10% ohne Lohnausgleich, bei mittleren Einkommensgruppen um 5% realisiert werden. Dies würde 300 000 bis 500 000 neue Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst (bei benötigten Dienstleistungen) ermöglichen. Es ist jedoch vorauszusehen, daß sich viele dieser Arbeitsplätze nicht profitabel halten können. Entsprechend M. Beck ist dies sowieso nur der Gegenwert des Arbeitslosengeldes und schafft höchstens die üblichen "Schippenprogramme", für aktuelle High-Tech-Arbeitsplätze würden 200 000 bis 1 Mio DM gebraucht! (Beck 1997) 2.2. Dritter Sektor (J.Rifkin)
2.3. Bürgerarbeit (U.Beck)
Diese Bürgerarbeit "soll nicht entlohnt, aber belohnt werden - mit einem Bürgergeld, das als minimale Existenzsicherung letztlich allen zur Verfügung steht, die darauf angewiesen sind." (Beck 1998). Nach Meinung Becks würden auch Unternehmer diese Formen von Bürgerarbeit unterstützen. |
2.4. Reichtum der Möglichkeiten (A.Gorz) Auch A. Gorz geht davon aus, daß es keine sicheren Jobs mehr gibt, legt aber großen Wert darauf, daß über die Diskontinuität seiner Arbeit jeder selbst bestimmen können soll, ohne deswegen unter schwankenden Einkommensverhältnissen leiden zu müssen. (Gorz, nach Cassen 1997) 2.5. "Demokratisierung der Demokratie" 2.6. Optionales Arbeitsrecht im Diskurs (Raasch) Hier wird kein eigener dritter Sektor, aber fließende Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und anderer Tätigkeit gefordert. Realisiert soll dies durch eine (von Gewerkschaften kontrollierte) Pflicht der Unternehmensleitungen zum Dialog werden. Dazu sollen individuell auswählbare Arbeitszeit-Bausteine (Optionen) zur Verfügung stehen und unter Zeitsouveränität der Arbeitnehmer realisiert werden. Zusätzlich muß die soziale Absicherung aus Verklammerung mit Erwerbsarbeit gelöst werden und existenzsichernde Grundeinkommen vorhanden sein. 2.7. "Neue Arbeit" (F. Bergmann) Das Ende der gegenwärtigen Arbeitsstruktur nennt F. Bergmann nicht "Ende der Arbeit", sondern er verdreifacht die Arbeit sogar, indem er sie neu definiert. Die sog. "Neue Arbeit" vereint drei Grundbestandteile: |
Neue Arbeit = |
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Jobarbeit |
High-Tech-Self-Providing |
Calling |
gegen Entgelt Arbeitszeit und Arbeitsleistung erbringen |
Selbstversorgung auf hohem technischem Niveau |
Arbeiten gemäß einer selbst erfahrenen Berufung; wirklich-Arbeit (nach Scurell) |
Job-Arbeit (= niedrige Arbeit)
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"fliegender Teppich": mit wenig Arbeit über die Notwendigkeit erheben |
"paid calling": Wirklich-Arbeit, auf die man stolz ist, die einem Flügel verleiht (Bergmann 1997) |
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= Eigenarbeit = emanzipative Arbeit in Werkstätten, à 70% des Eigenbedarfs |
in Diskussion schon eingeschränkt auf "Gemeinwesenarbeit" (nach Liebers 1997) |
Insgesamt ergibt sich auf diese Weise ein Übergang zur bedürfnisbefriedigenden Arbeit. "Geld verdienen" zu Kaufen von Benötigtem kann reduziert werden durch Selbstversorgung.
"... wenn man nur vier Monate mitarbeitet an der Wohnung, in der man später die nächsten zehn Jahre lebt, dann kann man schon dadurch unter Umständen jedes Jahr einen Monat weniger arbeiten, an der Job-Arbeit, weil sich das so rechnet." (Bergmann 1997) Erste beispielhafte Projekte verdeutlichen besonders die Flexibilität der Ausgestaltung entsprechend regionalen Bedürfnissen und Möglichkeiten: In Flint, USA/Michigan (seit 1981) hat der GM-Konzern die Hälfte der Arbeitskräfte durch Rationalisierung überflüssig gemacht. In einer Vereinbarung zwischen Unternehmen und Gewerkschaft wurde festgelegt, daß jeder Arbeiter innerhalb eines Jahre nur ein halbes Jahr für den Konzern arbeitet, in anderer Hälfte kann er mit kommunaler (und betrieblicher) Hilfe seine individuelle Lebensgestaltung mit Kreativität ausfüllen (nach Ruhoff 1996). Das Kreativ-Zentrum Wolfen vereint ein Werkstatthaus für Eigenarbeit, ein Gemeinwesenszentrum und einen Ort für kulturelle Aktivitäten. Es soll eine Tischler- und Metallwerkstatt, eine Werkstatt für Schmuckgestaltung, ein Cafe, einen Obst-, Gemüse-, und Blumengarten, ein Videostudio, einen Tauschring, eine Amateurbühne, Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften entstehen usw. Eine Unternehmerin aus Wolfen wartet bereits auf diese Möglichkeiten, weil sie die Arbeitszeit ihrer Angestellten unter Nutzung dieser Einrichtungen senken will (Scurrell 1997, S.19). Das Forum Bauhaus Dessau griff diese Gedanken im Zusammenhang mit der nachhaltigen Regionalentwicklung auf und plant den Aufbau eines Zentrums für Neue Arbeit in Dessau. Der Verein EigenArt e.V. Ammern beruht auf diesem Konzept. In München existiert ein "Haus der Eigenarbeit"(Scurell 1997, S. 19) . In Mühlhausen praktiziert ein Kleinunternehmen seit 1992 ein dementsprechendes Arbeitszeitverkürzungsmodell (nach Weinhausen 1996). Bergmann nennt weitere Anfänge in Chemnitz, Aachen und Stuttgart (Bergmann 1997). Die Finanzierung soll hier (nach Bergmann) tendenziell zu ca. 1/3 aus der Sozialhilfe, zu 1/3 aus dem High-Tech-Self-Providing (bis hin zu Fabriken als Wohnung ausbauen) und zu 1/3 über Selbstverkäufe erfolgen (nach Ruhoff 1996). Außerdem ist davon auszugehen, daß auch die Kommunen daran interessiert sein sollten, und deshalb mit Kostenübernahme für Gebäude und Mittel unterstützen können. Firmen können sich über Stiftungen, "Sponsoring" und Ablösesummen bei Werksschließungen. Die Firmen sind ja interessiert an qualifizierten und motivierten Arbeitskräften, die ihnen in solch einem Modell in der Job-Arbeit zur Verfügung stehen ("loyality effect"). Bergmann spricht davon, Widersprüche innerhalb und zwischen den Konzernen intelligent zu nutzen. In bisherigen Diskussion wurde betont, daß es sinnvoll wäre - sich mit einen regionalen Tauschring zu vernetzen, - ABM-Mittel dafür zu nutzen (in Neustadt bereits begonnen), - landwirtschaftliche Selbstversorgung einzubinden, - auch in der Selbstversorgung Arbeitsteilungs- und Spezialisierungsvorteile zu nutzen,... 2.8. Lokale Ökonomie (VHS-Forum) 3. Chancen
Die besondere Empfehlung:
Papke, Götz: Dauerhafte Arbeit. Neue Arbeit durch Selbstversorgung linear weiterlesen ODER zur Übersicht
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