Selbst-Organisations-Management - Konzepte:

Innovations-Ökologie

Große Hoffnungen zur Milderung und Überwindungen der inzwischen unübersehbar gewordenen ökologischen Zerstörungen und Katastrophen setzt/e z.B. der Zukunftsforscher R. Lutz auf eine "Sanfte Wende" hin zur Ökologisierung der Marktwirtschaft. Typische "lange Wellen" (Dampfmaschine ® Eisenbahn ® Elektrizität ® Elektronik ...) der Entwicklung der Produktion ließen für die Gegenwart eine ökologische Revolution erwarten (Elektronik ® Ökologie ® Bionik):

Abbildung: Transformationen mit dem Wendepunkt der Ökologischen Transformation als "sanfte Wende" (aus: Lutz 1994, S. 30)

Für die drei großen Phasen gibt es unterschiedliche Charakteristika (ebd.):

I. Industriegesellschaft

II: Superindustrielle Gesellschaft

III: Nachindustrielle Gesellschaft

Patriarchale, hierarchische Top-Down-Strukturen

Rollenwandel und -brüche, Hierarchiekonflikte

Flexible, netzwerkartige Modelle, funktionelle Leitung, Synergie

Wachstumseuphorie, Quantiative Fixierung, Umweltverschmutzung, Naturverbrauch

Wachstumsgrenzen, "qualitatives" Wachstum, Umweltgesetze, Umweltverträglichkeitsprüfungen

Prinzip der Nachhaltigkeit, Integratives Wachstum, Umweltrestauration, Ökosystemgestaltung

Rohstoffausbeutung, Abfall/Müllprobleme

Recycling, Einsparung, "intelligente" geschlossene Systeme

Künstliche "Naturprodukte", Naturintegrative Prozesse

Materielle Grundhaltung

Saturiertheit, Stagnation

Nachmaterielle Orientierung

Proletarisierung, Klassenbildung,

De-Proletarisierung, Pluralismus, Confetti-Society,

Kosmopolitische Perspektive, virtuelle Communities

Sozialgesetze

Wohlfahrtstaat

Grundsicherung

Produktorientierung

Erlebnisorientierung

Erkenntnisorientierung

Mechanische Modelle

Kybernetische Modelle

Systematische Modelle

Lineare Zeitvorstellung, territoriale Expansion

Globalisierung, Planetarismus

Regionalisierung weltweit

Es zeigt sich, daß wir uns im Wesentlichen noch im Bereich der Superindustriellen Gesellschaft befinden, aber bereits Keime für die III. Phase erzeugen. Das sieht hoffnungsvoll aus - sieht man von der Zeitverzögerung einmal ab.

Die Vorstellungen der möglichen Zukunft sind keine lineare Ableitungen und Voraussagen. R. Lutz ist Spezialist bei der demokratischen Erarbeitung von Zukunftsvisionen, z.B. in Zukunftswerkstätten.

   In hunderten von R. Lutz durchgeführten und
   ausgewerteten Zukunftswerkstätten
   kristallisierten sich 7 typische Visionen heraus:

 

Die Fortführung des Industriekapitalismus in Verbindung mit dem "american way of life" wird durch diese Vision widergespiegelt.

 

 

 

"Gaia" als Göttin der Erde und Natur bezeichnet dieses optimistische ganzheitlich-ökologische Szenario.

 

 

 

 

Findhorn ist ein schottisches New-Age-Zentrum und steht für eine spirituelle Entwicklung, die den Wertewandel repräsentiert.

 

Chinatown steht hier für eine Struktur hochkomplexer, gemischter, dichter und urbaner Zentren der Welt auf Grundlage von Internationalisierung und Heterogenisierung.

 

 

 

 

Die Eroberung und Nutzung des Weltraums ist eine typische Zukunftsvision.

 

 

 

Ökotopia ist nach dem Buch von E. Callenbach eine typischer Prototyp für eine ökologische, nachindustrielle Gesellschaft.

 

 

Die Computerisierung und Digitalisierung von Industrie und Gesellschaft gibt der Hoffnung Vorschub, daß durch die Technisierung so hohe Produktivkräfte entstehen, daß die gesellschaftlich notwendige Arbeit sinkt

Es werden auch alle möglichen Kombinationen dieser Visionen diskutiert.

Szenarien als qualitative Beschreibungen müssen, wenn sie handlungsleitend werden sollen, durch Trendanalysen untersetzt werden. Rein qualitativ betrachtet hat sich in den letzten Jahren eine Mischung von Dalles und Computopia mit einem Schuß Chinatown durchgesetzt. Nach dem Jahr 2000 ergänzte Rüdiger Lutz diese Szenarien um das Szenario "CORCORAN".

Seit dem Entstehen dieser Szenarien haben sich Veränderungen ergeben. Einige frühere Möglichkeiten sind inzwischen vergangen. Ob das Verlorene eher dem Gefährlichen oder dem Hoffnungsvollen zuzuschreiben ist, hängt von unseren Werten ab.

Wir müssen auf jeden Fall bedenken, daß verlorene Chancen oft nicht einfach zu einem späteren Zeitpunkt "aufzuholen" sind, sondern ein für allemal den Trend umgekehrt haben können. Der Prozeß der politischen Regelungen zur Klimaentwicklung, der Ökonomisierung der Lebensressourcen in der "Dritten Welt" und der katastrophalen wirtschaftlichen Grundlagen in den meisten Ländern der Welt läßt heute kaum noch eine Hoffnung auf eine "sanfte Wende" zu.

In der heutigen globalisierten Weltwirtschaft auf kapitalistischer Grundlage sind ökologische Forderungen meist bis zur Unkenntlichkeit (im Interesse der Profitverträglichkeit) reduziert. Die EXPO 2000 in Hannover ist dafür ein deutliches Symbol. Die Klimavereinbarungen werden seit 1992 immer mehr verwaschen und können nicht einmal bei maximaler Umsetzung das Weltklima der nächsten Jahrzehnte vor einem Umkippen retten. Die Hoffnungen, daß durch die "Cyberökonomie" könne die Wirtschaft der Information jene der ökologisch verhängnisvollen Stoff- und Energieumsatzes nach und nach ersetzen, erfüllen sich nicht. Im Gegenteil, die Informationstechniken erhöhen diese Umsätze noch mehr und jagen sie in der Suche nach Maximalprofit ohne ökologische Rücksichten quer über den Erdball.

Eine Hoffnung, dem noch entgegensteuern zu können, wird mit den Instrumentarien der Öko-Bilanzierung entwickelt. Die "Ökologische Bilanz" sollte "mittlerweise als wesentlicher Bestandteil eines zeitgemäßen Managements (gelten)" (Lutz 1994, S. 61).

 

Abbildung: Erweitertes Produktionsmodell (nach Lutz 1994, S. 203)

Das tiefstgehende Konzept vertritt dabei das Elmwood-Institut. Seinem Konzept von Ökobilanzierung liegt "der Wandel der Wertvorstellungen eines Unternehmens zugrunde, und zwar von Dominanz zu Partnerschaft und von der Ideologie des unbegrenzten Wirtschaftswachstums zur ökologischen Tragfähigkeit. ... Das Ergebnis einer Ökobilanz ist ein Aktionsplan zur Minimierung der Umweltbelastungen durch ein Unternehmen und durch Wandel aller Tätigkeiten in ökologisch sinnvolle." (ebd., S. 79f.; Hervorh. A.S.)

Genau hier zeigen sich aber einige prinzipielle Probleme. Die bisherigen Öko-Audits, so wird gerade ausgewertet, sind nur dort erfolgreich, wo dabei Energie und Material eingespart wird und direkter betriebswirtschaftlicher Nutzen entsteht. Der grundlegende Widerspruch, daß die betriebswirtschaftliche Optimierung gesamtgesellschaftlich /globalökologisch weder bilanziert noch überhaupt ernsthaft berücksichtigt, wird dabei nicht angetastet.

Die gegenwärtigen Tendenzen der neuen "langen Welle" deuten auch tatsächlich in Richtung Biotechnologie/Life Science. Aber nicht in der Form, wie es Rüdiger Lutz als "Sanfte Wende" erhoffte: als intelligente Neu-Einbindung in natürliche Reproduktionszyklen. Es geschieht im Gegenteil, daß der technische Trend hin zu Neuen (künstlichen) Materialien und zu biotechnisch (und gentechnisch manipulierte) hergestellten Grundnahrungsmitteln die zukünftigen Überlebensmöglichkeiten der Menschheit immer weiter beschneidet, weil die Grundlage und die Möglichkeit der Rückbinding irreversibel zerstört wird (Die Anzahl der natürlichen Nutzpflanzen nimmt rapide ab, das Reservoir der Biodiversität wird zerstört, eigenständige Subsistenzwirtschaft wird unmöglich gemacht...).

Literatur:
Lutz, R., Die sanfte Wende. Aufbruch ins ökologische Zeitalter, Frankfurt/Main, Berlin 1987
Lutz, R., Innovations-Ökologie. Strategien für umweltbewußtes Management, Frankfurt/Main, Berlin 1994

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© Annette Schlemm 1999