Die allgemeinwissenschaftliche Betrachtungsweisen verbleiben in der Logik der Abstraktion, dies ist ihre Spezifik. Damit verbleiben sie auch innerhalb der Wesenslogik, bei der sich das Verhältnis von System und Element in Form des Verhältnisses zwischen Ganzen und Teilen darstellt. Wie Elemente untereinander und Elemente und System aufeinander bezogen sind, unterscheidet sich in der Wesens- und der Begriffslogik. In der Wesenslogik unterscheiden wir Teile und das Ganze, während die Elemente und System in der Begriffslogik als Momente und Totalität begriffen werden. Teile sind selbständig gegeneinander und gegen das Ganze, sie können auch auch einzeln und ohne das Ganze existieren. Als Teile eines Ganzen werden sie als in Wechselwirkung miteinander stehend betrachtet, sie unterhalten Beziehungen, sie sind durchaus auch unterschiedlich bis gegensätzlich, aber ihre Einheit im Ganzen ist nur ein äußerliches Aufeinandertreffen. Die Teile gehen nur insoweit in das Ganze ein, als sie zur Identität des Ganzen beitragen. Von ihnen bleibt nichts anders übrig, sie werden vom Ganzen subsumiert, so dass andere Besonderheiten außer jenen Bestimmungen, die sie als Teile des Ganzen ausweisen, verschwinden (nicht aufbewahrt/aufgehoben werden). Das Ganze und die Teile können auseinander abgeleitet werden, aber jeweils nur in einer Richtung. Das heißt: Wir können das Ganze als vorausgesetzt annehmen, dann lassen sich die Teile aus dem Ganzen ableiten bzw. erklären. Oder wir können die Teile als vorausgesetzt annehmen und das Ganze aus ihnen ableiten. Wir kommen damit zu keiner wirklichen Einheit von Ganzem und seinen Teilen, sondern verbleiben in einer "Tätigkeit, die Gegensätze festzustellen und von dem einen zum anderen zu gehen, ohne aber ihre Verbindung und durchdringende Einheit zustande zu bringen" (Hegel PdR, S. 197), wie Hegel diese einseitigen Reflexionen bestimmt.Welche Art andere Einheit, eine "durchdringende Einheit" wäre möglich? Wenn Ganze und Teile nicht mehr ohne das jeweils andere denkbar sind, wenn sie ihre Selbständigkeit voneinander verlieren - sind wir in die Begriffslogik übergegangen und sprechen jetzt von Momenten in einer Totalität. Die Momente existieren nicht mehr außerhalb der Totalität, sie werden von der Totalität in ihrer Entwicklung gebildet und sich untergeordnet. "Das Singuläre ist jederzeit universell vermittelt" (Bartels, S. 1635). Die Momente untereinander und Totalität und Momente setzen einander jeweils voraus, keins kann ohne das andere existieren. Die Momente sind nicht mehr nur als unterschiedliche, bzw. gegensätzliche bestimmt, sondern sie sind widersprüchlich, weil sie sich nicht mehr äußerlich gegenüberstehen, sondern sie enthalten "die ihr andere Bestimmung in sich" (Hegel Wdl II, S. 65). Das bedeutet für die Momente, dass nicht nur die jeweilige Identität dem Ganzen subsumiert wird, sondern dass auch die Unterschiede erhalten bleiben. In der Totalität werden die Unterschiede nicht auf das Identische reduziert, wie im Ganzen, sondern die mannigfaltigen Besonderheiten bleiben erhalten. Zum Begreifen der Welt werden Denkgegenstände gebildet, die Momente der zu begreifenden Totalität sind, wie die sog. "Elementarformen" im Marxismus (wie "Ware" oder "Monopol", siehe Warnke 1977b, S. 62ff.). Die Momente sind nicht, wie eventuell noch die Teile, empirisch als Dinge vorfindbar. Beim Ganzen wird nur das betrachtet, was sich als Identität erhält, bzw. selbst reproduziert - von Unterschieden aller Art (die Widersprüche und damit Entwicklung mit sich brächten) wird abstrahiert. Als Totalität wird die betrachtete Einheit (weitestgehend) ohne Abstraktion begriffen, sie reproduziert sich dabei nicht absolut identisch, sondern verändert und entwickelt sich. Das wichtigste Merkmal einer Totalität gegenüber einem bloß Ganzen ist, daß es seine eigenen Momente begründet und nicht nur als Menge aufsammelt. Im Ganzen stehen die Teile in einer Beziehung, bzw. zwischen Ganzem und Teilen besteht eine Beziehung, die zum Gegenstand der Erkenntnis wird. Insofern unterscheidet sich die Wesenslogik von der Seinslogik, in der die Dinge mit ihren Eigenschaften im Mittelpunkt stehen. In der Wesenslogik geht es darum, "hinter" den entstehenden und vergehenden erscheinenden Dingen stabile Beziehungen zu ermitteln. Wesentliche Beziehungen zu erkennen, bedeutet, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. In der naturwissenschaftlichen Erkenntnis liegen, da ja in jeder Naturwissenschaft qualitative Bestimmungen zugrunde liegen, bereits eher Verhältnisse qualitativ bestimmter Momente vor als Beziehungen zwischen abstrakten Größen. In den allgemeinen Systemtheorien wird von diesen Qualitäten dann wieder abstrahiert, so daß für sie die Kennzeichnung als wesenslogisches Erkennen stärker zutrifft als für die Naturwissenschaften. Die höchste Form einer Beziehung innerhalb der Wesenslogik ist die Wechselwirkung (nach der jeweils nur in eine Richtung wirkenden Kausalität). Dieser Beziehung fehlt es noch, daß sie als "Moment eines Dritten, Höheren, erkannt" wird (Hegel Enz. I, S. 302). Die Wechselwirkung geht hin und her - aber innerhalb welches übergreifenden Zusammenhangs, wodurch begründet, ist innerhalb der Wesenslogik nicht zu verstehen. Das ist erst innerhalb der Begriffslogik durch die Vermittlung der Momente mit der Totalität zu begreifen. Wir brauchen dabei die richtigen Begriffe (keine beliebigen Zuordnungen von Elementen bzw. Teilen zu Systemen oder zum Ganzen) für die Momente und die Totalität. Totalität ist das, aus dem sich die Momente begründen; ihre Momente sind das, was in ihren Widersprüchen die Totalität konstituiert. Das wechselwirkende Hin- und Her stellt in Hegels Worten eine dialektische Bewegung dar - die Vermittlung mit dem Höheren ist bei ihm das spekulative Moment. Die Wesenslogik ist besonders geeignet, die strukturelle Identität des untersuchten Ganzen zu verstehen - die Begriffslogik ist unabdingbar bei dem Begreifen von Entwicklungsprozessen. In Bezug darauf, das Ganze bzw. die Totalität als Allgemeines und die Teile bzw. Momente als Einzelnes oder Besonderes zu verstehen, erhalten wir folgende grundsätzliche Unterscheidung: Innerhalb der Wesenslogik wird dem Allgemeinen das Einzelne oder das Besondere abstrakt entgegengesetzt. Außer der Entgegengesetzung gibt es keine Gemeinsamkeit. Ich erwähnte bereits, dass das Besondere der Teile außer acht gelassen wird. Das dabei entstehende Allgemeine weiß nichts von den konkreten Qualitäten seiner Teile, es ist "abstrakt-allgemein" (vgl. Hegel Enz. I, S. 311, § 163 Fußn.), es ist das "bloß Gemeinschaftliche", nicht das Universelle (ebd., S. 312). Erst in der Begriffslogik bleibt das Besondere der Momente erhalten. Die Totalität ist nicht statisch, sie lebt von den Widersprüchen der Momente in ihren Besonderungen, sie bewegt und entwickelt sich. Es ist nicht zufällig, dass bei der Betrachtung der Welt vom Standpunkt einer Gleichgewichtsstabilität aus Modelle der Wesenslogik bevorzugt werden und vom Standpunkt des Werdens, der Entwicklung aus die Begriffslogik. Als Zusammenfassung gebe ich folgende Tabelle an:
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Ersetzt Selbstorganisationsdenken die Dialektik? |