Leserbrief

Hi,

spannend und gut, dass die Ö-Punkte doch auch mal wieder auf das Thema Utopien zurückgreifen. Ich würde allerdings der Behauptung von Annette Schlemm widersprechen wollen, dass politische Sciencefiction in den letzten Jahren selten geworden sei.
Nicht nur die von ihr zu recht gelobte Trilogie R/G/B-Mars ist -- zwischen den Zeilen, und glücklicherweise nicht von vorneherein modelltriefend -- politische Sciencefiction. In diese Richtung lassen sich ebenso einige der neueren Werke von Bruce Sterling verstehen (der sich so nebenbei mit seiner Viridian-Bewegung als autonomer Kommerzlifestyleöko profiliert) wie auch, manchmal sehr hässlich- politisch, weil ganz nah am rechten Rand der amerikanischen Libertären, so gut wie alles von Niven. Dass libertär nicht gleich rechts sein muss, beweisen dagegen die beiden neusten Romane von Vernor Vinge.
Diskussionswürdig -- gerade auch in Bezug auf die Frage, wieweit politisch-utopische Sciencefiction Vorbild für politisches Handeln sein kann, die mir in diesen Ö-Punkten etwas kurz kommt -- sind schließlich die Culture-Romane von Iain M. Banks, in der der Autor eine ausdrücklich sozialistisch gemeinte, geldlose Überflussgesellschaft aus Menschen und intelligenten Maschinen porträtiert, die ihre ganz eigenen Hedonismen entwickelt. Politisch-utopische Sciencefiction ist also deutlich mehr als eine Marktnische -- und das meiner Meinung nach viel zu sehr in Richtung klassisch-philosophischer Naivutopie ausschlagende Buch von Aldiss und Penrose hätte gar nicht erwähnt werden müssen, trotzdem wäre noch mehr als genug an weiterem Diskussionsstoff da gewesen. Und wäre es die Frage gewesen, wie weit R/G/B-Mars einen Leitbildcharakter für aktuelle gesellschaftsverändernde Bewegungen entwickeln kann.

Schöne Grüsse,

Till Westermayer

[Homepage] [Gliederung]






- Diese Seite ist Bestandteil von "Annettes Philosophenstübchen" 2001 - http://www.thur.de/philo/ku2.htm -