1. Das Prinzip der Zukunftswerkstatt
Die Diskussion dreht sich wieder mal im Kreis. Ich habe die Argumente der anderen gehört und meine eigenen einigemale verteidigt. Später fallen mir wieder die besten Argumente ein... Was "die da oben" wieder austüfteln, kann ich eh nicht beeinflussen, im Ernstfall haben die die Experten auf ihrer Seite... Wer kennt nicht diese Situationen zur Genüge?
Man kann sich mit immer wieder besseren Argumenten in diese Situation
stürzen. Und wieder heimgehen mit einem Drehwurm... Aber man kann es auch einmal anders versuchen.
Das erste neue Prinzip ist dann: Jeder von einem Problem Betroffene
ist auch fähig, bei der Lösung teilzunehmen, nicht nur
die "Experten" oder "die da oben". In den
Gesprächen über eine Lösung dürfen deshalb
weder Experten noch Referenten dominieren (auch wenn sie das nicht
bewußt wollen, verführen sie - am Katheder stehend-
doch den Eindruck, daß man sich zurücklehnen kann und
die Experten machen lassen...
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Außerdem kommt es darauf an, erst mal tatsächlich alles aufzulisten, was uns stört. Auch wenn wir denken, daß diese Probleme nicht weiterhelfen können, daß wir sie lieber verdrängen (Kritikphase). |
Aber das soll nicht die Köpfe hängen lassen.
In der nächsten Stufe werden alle Hinderungsgründe "vergessen" und die ideale Situation ausgemalt (Utopiephase).
In dieser Situation ist es möglich, auf Ideen zu kommen, die man sich sonst zu denken nicht gewagt hätte. Aber nur mit solchen Ideen sind viele verworrene Probleme überhaupt noch zu lösen. |
Erst dann fragt man sich, wie man Schritt für Schritt diese Ideen in die Wirklichkeit umsetzen kann, welche Partner man dafür gewinnen könnte und was man selbst dazu tun kann (Verwirklichungsphase). |
Da alle Teilnehmer in allen Phasen durch unorthodoxe Methoden
ihre Meinungen kurz und bündig ohne Begründungszwang
einbringen konnten und durch Mehrheitsentscheidungen an der Auswahl
der Spannendsten Themen beteiligt sind, ist auch abgesichert,
daß die Teilnehmer auch interessiert sind, ihr in der Werkstatt
angedachtes Projekt auch tatsächlich dann später zu
realisieren. Nichts ist aufgezwungen, sondern hat sich aus der
Werkstatt heraus entwickelt. An das Meiste hätte man vorher
selbst nie gedacht...
2. Zukunftswerkstatt mit der Schülerakademie
Freitag abend:
Sonnabend morgen:
2.1. Phase: KRITIKPHASE
Zuerst schreibt jeder auf Zettel, was ihn gerade anstinkt oder
worüber er Angst hat, legt ihn in die Mitte...
Die Teilnehmer teilen sich in drei Gruppen auf und jede Gruppe wählt 2 der Zettel aus, die ihnen gemeinsam am Wichtigsten sind.
Sie wählen insgesamt 6 Zettel aus. Diese 6 Zettel werden nun zu zwei Themenkomplexen zusammengefaßt. Danach wird für jeden Komplex eine Überschrift in Kritikform formuliert. 1 bis 3 erhält die Überschrift:
4 bis 5 erhält den Titel:
Damit ist die Kritikphase abgeschlossen.
2.2. Phase: UTOPIEPHASE Nun werden die beiden kritischen Sätze einfach positiv umformuliert, so daß der kritisierte Zustand einfach aufgehoben und die Situation ideal vorhanden gedacht wird. Wir erhalten:
An dieser Stelle wurde eine Pause eingeschoben.
Danach folgte eine Auflockerung mit dem Familien-Ming,King...
Spiel und eine Auflockerung der Phantasie mit einem Stück
Cellophan...
Danach sammelten sich folgende Ideen für Utopien auf langen
Tapetenbahnen:
Nun schneidet jeder mit der Schere den Gedanken aus, der ihn am
meisten fasziniert. Dies sind die Punkte 1 bis 8. Alle setzen
sich mit ihrem Wunsch wieder in den Kreis.
Es finden sich zwei Gruppen, deren Wünsche jeweils zusammenpassen.
Es finden sich die Punkte 1-4 und 5-8 zusammen.
Während die beiden Gruppen beginnen, sich einen Sketch zur
Darstellung der idealen Situation, in der ihre Wünsche verwirklicht
sind, auszudenken, wird das Mittagsessen vorbereitet. Nach der Mittagspause (Reis mit Letscho) brauchte eine Gruppe noch etwas Zeit, aber bald konnten wir die Sketche vorstellen.Danach wird jeweils auf eine Tapetenbahn geschrieben, was allen als positiv und wünschenswert auffiel. Da beide Gruppen nicht nur die utopische Situation darstellten, sondern auch die Realität satirisch streiften, mußte hier wieder etwas umgedacht werden.
Im ersten Sketch (siehe Wünsche 1 bis 4) wurde das Leben
in einer Wohngemeinschaft mit Konfliktfall (eine Mitbewohnerin
wird schwanger) dargestellt. In ihm fielen folgende Aspekte auf:
Der zweite Sketch (Wünsche 5 bis 8) stellte zwei Situationen
vor, in denen Bürger/ Bürgerinitiativen bei der Regierung
vorsprechen, um ihre Interessen zu vertreten.
In der idealen Situation gefiel:
Nun bekam jeder die Gelegenheit, mit einem Stift ein Kreuzschen
hinter den Punkt zu machen, den er am Spannendsten findet. Es
wurde die Anzahl Kreuze vergeben, die in Klammern dahinter stehen.
Nach einer kurzen Unterbrechung mit der Darstellung eines Küchengerätes
durch kleine Gruppen ging es in die
2.3. Phase: REALISIERUNGSPHASE
Wir sammelten nun Ideen zu den einzelnen angekreuzten Wünschen,
die darauf abzielen, herauszufinden, wie man sich ihnen nähern
kann. Zum Punkt 1: "Aktiver Umweltschutz" wurde aufgelistet:
Zu Punkt 2: "Altlastenentschuldung" fiel uns ein:
Zum 3. Punkt ("nicht herumreden, Klarheit") schrieben wir auf:
Der 4. Punkt ("Jeder soll anderen tolerieren") brachte die Ideen:
Zum 5. Punkt ("Jeder setzt sich für jeden ein") kam:
Hier konnte jetzt jeder zwei Punkte vergeben und auf diese Weise
kristallisierten sich die bedeutsamsten Punkte heraus. In zwei
Gruppen wurde nun überlegt, wie man einer Verwirklichung
näher kommen könnte. Zuerst wurden in Tabellenform die Faktoren aufgelistet die für eine Verwirklichung sprechen und die, welche dagegen sprechen:
Projekt A): ("Auf die zugehen, die man
eigentlich nicht leiden kann")
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Dafür spricht: | Dagegen spricht: |
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Das Projekt B) wählte sich das Thema "Wahrheitsprüfung
- Medienvergleich". Sie
stellten gegenüber :
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Dafür: | Dagegen: |
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Damit ging dieser Tag erst einmal zu Ende, den Abend füllte
das Spiel "Prost Müllzeit!", das Ergebnis eines
Workshops, an denen drei der Teilnehmer beteiligt gewesen waren.
Am nächsten Tag wurde noch einmal wiederholt, was aus dieser Zukunftswerkstatt in den Alltag übernommen wird. Das war zum einen das Vorhaben, im Privat- und politischen Leben künftig eher auf andere Menschen zuzugehen, in denen man nicht sofort Freunde vermutet. Ein direktes Gruppenprojekt erwuchs daraus nicht.
Zum anderen wurde initiiert, daß eine Schülergruppe
bis ca. Juli 1993 einen Medienvergleich durchführt.
3. Auswertung Im Anschluß daran diskutierten wir noch kurz über das Prinzip Zukunftswerkstatt.
Die Teilnehmer wurden erst am Freitag abend auf dieses Vorgehen
eingestimmt. In Vorbereitung hatten sie ein INFO über Globale
Probleme erhalten und sie erwarteten daraufhin eher eine seminaristische
Veranstaltung dazu. Es ist deshalb besonders schön, daß es gelang, an einem Tag die wesentlichsten Elemente einer Zukunftswerkstatt durchzuführen. Wichtig ist in Zukunft die bessere Einordnung der Methode Zukunftswerkstatt in die langfristige Gruppenarbeit überhaupt. Dann ist auch der Bezug zu und die Relativierung gegenüber Disputen mit Rede und Gegenrede deutlicher.
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