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Wir kommen weit her... sehr weit her...
Die Bindung zur fernen Vergangenheit... verloren wir nicht."

(Nazim Hikmet 1902-1963 "Vorgeschichte")

Konzert

Das Epos vom Seyh Bedreddin

eine musikalische Erzählung

Bremer Solidaritätschor

unter Leitung von
Can Tufan

Mitwirkende: Gruppe Argus & Bremer Musikanten
Solisttinnen: Wiebke Rendings, Mirjam Dirks
Text: Nazim Himet
Komposition: Can Tufan
Erzählung: Horst Breiter

Seyh Bedreddin

Seyh Bedreddin, geboren 1360 in Simavna (Bulgarien) ist ein Gelehrter, einer der wichtigsten Vordenker Anatoliens, der auf der Suche nach einer für die Menschen lebenswerten Welt war. Sein Menschenbild ist geprägt durch die schrecklichen Kriegsfolgen in Anatolien und Kontakte zu Menschen anderen Glaubens.

Unter Einfluß seiner philosophischen Vorfahren in Anatolien (von Platon bis Sufisten) nahm Bedreddin die Ideen Aufklärung und der klassischen deutschen Philosophie beispielhaft vorweg.

"Die Welt stellt eine Einheit dar; sie ist eins und besteht aus Widersprüchen,
das Universum ist endlos."

In der Beziehung zwischen Menschen sieht er einen direkten Weg zu Gott. Er sagte:

"Dem Gott dient man nur, indem man den Menschen hilft. Diese Hilfestellung soll aber nicht für die Zeiten der Auferstehung, sondern im Leben geleistet werden."

Bedreddin sah in der Gleichheit aller Menschen ein Gegengewicht gegen die Korruption der Macht und der Verhältnisse in der Gesellschaft.

"Die Gottesgabe ist für die Menschen da. Das Land gehört Gott. Die Menschen verfügen nur darüber im Namen des Gottes. Niemand hat das Recht, dieses den Menschen wegzunehmen, um es selbst zu besitzen."

So plädierte er im 15. Jahrhundert dafür, daß der Sultan durch demokratische Wahlen an die Macht kommen sollte. In seinem juristischen Werk behandelte er Prinzipien der Freiheit und der Unabhängigkeit der Justiz.

Er sah später zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme keinen anderen Weg als einen des großen Aufstandes, den er auch mit massenhafter Beteiligung der Menschen verschiedener Glaubensrichtung gegen den Osmanischen Sultan organisierte. Er endete mit einer Niederlage, großem Massaker an Rebellen und dem Aufhängen Bedreddins. Die Hoffnung auf Bedreddins Wiederkehr hielt sich bis zum ersten Weltkrieg. Nazim Hikmets Nachtrag endet mit dem Satz:

Ein Volk, das andere unterdückt, kann selbst nicht frei werden."

N. Hikmet trug 1936 während seiner Haftzeit verschiedene Erzählungen und Aufzeichnungen über Seyh Bedreddin zu einer Vision des gleichberechtigten Zusammenlebens zusammen.

Bewußt haben wir einen Stoff aus dem 15. Jahrhundert gewählt als Schnittpunkt islamischer, christlicher und jüdischer Welt. Es sind dabei Parallelen zweier Geschichten, die durchaus helfen können, Brücken zwischen den Kulturen des Orients und Okzidents zu schaffen. Sie dienen dazu, Ansätze wahrer Multikulturalität zu entwickeln, wie sie Seyh Bedreddin und andere Völker durchlebt und praktiziert hatten.

Die Geschichte Bedreddins hat einen aktuellen Bezugspunkt auf heute. Dies wollen wir singend zum Ausdruck bringen. Wer da mitmachen will, ist

HERZLICH WILLKOMMEN!




Sechs Plakate des Künstlers Birol Demirs (geboren 1944 am Marmarameer, seit 15 Jahren in Bremen) zeigen die Entwicklung des 13 Jahre alten Bremer Solidaritätschors, spiegelt Motive, Hoffnungen und Anspruch seiner 30 Mitglieder wider, sind Wegzeichen von Veränderungen. Zwei Generationen singen gemeinsam die gleichen Lieder. Stolz sind wir auf die Zusammensetzung, auf die soziale Bandbreite vom Schichtarbeiter zu Hausfrau, vom Techniker zur Lehrerin, auf die Altersspanne von 11 bis 52, auf die 8 bis 9 Muttersprachen. Von anfang an waren mehrheitlich Frauen im Chor.

Volksmusik in der Tradition von Ruhi Su markierte den Weg vom ersten Konzert im Dezember 1986, unter der Leitung von Brenda Basar. Der steile Pfad zum mehrstimmigen Gesang begann. Wir können die Kulturelemente miteinander verbunden werden? Gemeinsam mit der (griechischen) Gruppe Harama begann der Brückenbau. Im Februar 1988 fand ein Nazim-Hikmet/Jannis-Ritsos-Abend statt. Einem archaischen Feinbild wurde die Gemeinsamkeit im täglichen Leben der einfachen Menschen wie im literarischen Bereich entgegengehalten.

  Anatolien ist ein Garten vieler Kulturen, die sich gegenseitig befruchten. Im Februar 1989 steckte das Konzert Unsere Lieder (Türkülerimiz) den Rahmen für ein breit angelegtes Kulturpanorama der Türkei ab, mit Liedern der Liebe zwischen Völkern und Menschen, gegen Krieg und Unterdrückung, Intoleranz und Haß. ... Einer Kassette folgten Auftritte in Bielefeld, im Ruhrgebiet und Kopenhagen.
Das fünfte Konzert im Februar 1993, "Frauen und Migration" unter der Leitung von Can Tufan und gemeinsam mit der (deutschen) Gruppe ARGUS, markierte etwas Neuartiges, zeigte den veränderten Blickwinkel. Wir sangen von der Getreideernte, hohen Bergen und Wildgänsen und vermittelten doch die Spannung der Frau zwischen Liebe, Schmerz und Widerstand, denn "nicht die Fremde ist es, die uns fertig macht, es ist die Sehnsucht."

Jede Chorprobe wurde zum Seminar. Themen, Texte, Interpretation und Auftritte wurden gründlich diskutiert und gemeinsam beschlossen. Ende 1993 schrieb eine Tageszeitung, die Stimmung bei unseren Auftritten erinnere zuweilen an ein Familienfest.

Inzwischen fand ein Generationswechsel statt. Chor und Verein durchliefen einen durchgehenden Wandel. Sonntag für Sonntag wird hart gearbeitet. Die Ansprüche des Publikums an die Qualität künstlerischen Schaffens und seine ästhetische Urteilskraft wuchsen. Nicht nur die Kultur der Herkunftsländer, die Einwanderer selbst arbeiten an einem hochwertigen Gegenstück zu den traditionellen Werten dieses Landes. Unbestritten gibt es einen kulturellen Wertewandel in der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Der traditionelle Bildungskanon des Bürgertums im auslaufenden 19. Jahrhundert ist bereits mehrfach gebrochen. Kulturpolitik kann sich nicht mehr darauf beschränken, Werte, Figuren und Traditionen der abendländischen Kulturgeschichte zu übermitteln. Dies fordert nichts weniger als die Öffnung der Kultur für die geistigen Werte aus dem Reisegepäck der Einwanderergeneration.

Bewußt hat der Bremer Solidaritätschor für sein neues, für das Frühjahr 1997 geplantes Programm die Begegnung islamischer, christlicher und jüdischer Welt vor 580 Jahren gewählt. Erstmals vollständig komponiert wurde das von Nazim Hikmet vor 60 Jahren zu gleichen Teilen in Lyrik und Prosa geschriebene Epos vom SEYH BEDREDDIN von dem 1962 in Limassol/Zypern geborenen Musiker Can Tufan. Er lebt seit 12 Jahren in Bremen und leitet seit 5 Jahren den Bremer Solidaritätschor.

- Text von Raimund Gaebelein
und einem Faltblatt des Chores -

"... um aus einer Kehle zu singen, um das Netz voller Fische gemeinsam an Land zu ziehen, um gemeinsam das Eisen zierlich zu formen, um gemeinsam das Feld zu bestellen, um gemeinsam Honigfeigen zu ernten, um, von der Wange der Liebsten abgesehen, das Leben gemeinsam zu leben."



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